Lichen ruber planus

Zuletzt aktualisiert: 2024-01-17

Autor(en): Anzengruber F., Navarini A.

ICD11: EA91.Z

Wilson, 1869

Knötchenflechte, Lichen ruber, Lichen planus.

Pruritische, nicht ansteckende, subakut bis chronisch auftretende, selbstlimitierte (jedoch oftmals über Jahre gehende) Erkrankung der Haut- und/oder Schleimhäute.

  • Prävalenz: 0,2%-1,0% der (erwachsenen) Bevölkerung
  • Bis zu 25% der Pat. haben einen isolierten Lichen planus der Schleimhaut
  • Tritt am häufigsten zwischen 30-60 J. auf, selten bei Kindern
  • Frauen = Männer
  • Keine ethnische Prädisposition
  • Familiärer Lichen planus ist selten, kommt aber vor HLA-A3, -B7
  • Virale Trigger real, z.B. Covid-19, VZV, HHV-6/-7, HVB. HCV seltener also die Literatur angibt
  • Impfungs-Assoziation klar vorhanden (Covid-19)
  • Wahrscheinlich auch Assoziation mit metabolischem Syndrom 
  • Eher nicht paraneoplastisch, kann aber vorkommen (z.B. Thymom)

  • Lichen ruber planus (klassische Form)
  • Lichen ruber integumentalis
  • Lichen ruber anularis
  • Lichen ruber linearis
  • Blaschkoider Lichen planus
  • Zosteriformer Lichen planus
  • Lichen ruber verrucosus
  • Lichen planus hypertrophicus
  • Lichen ruber atrophicans
  • Lichen planus pigmentosus
  • Lichen ruber vesiculosus et bullosus
  • Lichen ruber pemphigoides
  • Lichen ruber actinicus
  • Lichen planus exanthematicus 
  • Erythrodermischer Lichen planus
  • Inverser Lichen planus
  • Lichen ruber der Schleimhäute
    • Lichen planus mucosae
    • Lichen planus genitalis
  • Lichen ruber der Hautanhangsgebilde
    • Lichen ruber follicularis (Lichen planopilaris) 
    • Lichen ruber der Nägel
    • Lichen ruber der Handinnenflächen und Fusssohlen

  • Noch nicht komplett geklärt, CD8+ T Zell mediierte Apoptose von Keratinozyten
  • Ca. 100 Fälle von familiärem Auftreten sind beschrieben
  • Assoziationen
    • Autoimmunerkrankungen
      • Colitis ulcerosa
      • Morbus Crohn
      • Alopezia areata
      • Vitiligo
      • Dermatomyositis
      • Myastenia gravis
      • Pemphigus vulgaris
      • Bullöses Pemphigoid
      • Lupus erythematodes
    • Virale Infekte
    • Medikamente
      • Antiarthritika
        • Goldverbindungen
        • D-Penicillamin
      • Antibiotika
        • Streptomycin
        • Tetrazykline
      • Anti-Diabetika
        • Sulfonylharnstoffe
        • Glimepirid
      • Antileprosa
        • Dapson
      • Antimalariamittel
        • Chloroquin
        • Hydroxychloroquin
        • Chinin
      • Antipsychotika
        • Levomepromazin
        • Amitriptylin
        • Carbamazepin
      • Diuretika
        • Hydrochlorothiazid
        • Furosemid
        • Spironolacton
      • Tuberkulostatika
        • Paraaminosalicylsäure
        • Isoniazid
      • Antihypertensiva
        • β-Blocker
        • Calcium-Antagonisten
        • ACE-Hemmer
      • Antiphlogistika
        • ASS
        • Ibuprofen
        • Naproxen
      • Lipidsenker
        • Simvastatin
        • Pravastatin
    • Mechanische Traumata (Köbner-Phänomen)
    • Chronische Graft-versus-Host-Disease (GVHD)
    • Stoffwechselerkrankungen
      • Diabetes mellitus
      • Hypercholesterinämie
      • Hyperurikämie
    • Lebererkrankungen
      • Chron.-aktive Hepatitis
      • Primär biliäre Zirrhose
    • Kontaktallergene
    • Paraneoplasie

Vor allem an den Beugeseiten der Handgelenke und Unterarme, an den seitlichen Knöcheln der Fußgelenke zeigen sich scharf begrenzte, erythematöse, lichenoide, polygonale lackartig glänzende, teils konfluierende Papeln und Plaques. Oft kann man eine weißliche Netzzeichnung, die Wickham'sche Zeichnung erkennen. Charakteristisch ist die Oberflächenspiegelung bei kutanen Primäreffloreszenzen, welche am besten bei seitlich einfallendem Licht erkannt wird. Obwohl die Hautveränderungen initial schleichend beginnen, kann es im Verlauf zu einer exanthematischen Aussaat kommen. In der Regel flachen die Effloreszenzen nach Monaten wieder ab. Vor allem bei dunkelhäutigen Patienten entstehen Hyperpigmentierungen.

  • Wickham'sche Zeichnung/ Wickham-Phänomen/ Wickham Steifung: weißliche Netzzeichnung auf den Primäreffloreszenzen. Vor allem im Bereich der Schleimhäute ist diese oft gut zu sehen. Bei Patienten mit dunkler Hautfarbe fehlt die Wickham'sche Zeichnung oft.
  • Köbner-Phänomen: durch mechanische, thermische oder chemische Trigger ausgelöster isomorpher Reizeffekt, der eine lineare Anordnung von Primäreffloreszenzen triggert. Dieser entsteht durch das Manipulieren / Kratzen des Patienten aufgrund des läsionalen Pruritus.
  • Palmoplantar sowie an den Seitenkanten: Es können hyperkeratotische, weißlich-gelbliche Plaques mit erythematösen Randsaum sichtbar sein.
  • Nägel:
    • Selten isolierter Befall
    • Dystrophie, Atrophie, Tüpfelnägel, Längsstreifungen (Erythronychie), Pterygien, subunguinale Keratosen, Onychoschisis
    • Partielle oder komplette Zerstörung des Nagels möglich
  • Kapillitium:
    • Lichen planus follicularis capillitii
      • Pruritische, chronisch stationäre eher unscharf begrenzte, teils hyperkeratotische Erytheme. Manchmal sind Büschelhaare zu sehen. Charakteristisch ist die durch das Erythem entstehende Vernarbung.
    • Lichen planopillaris
      • Diffus disseminierte follikulär-gebundene Erytheme, welche sich zu bis zu 1 cm durchmessenden hyperkeratotischen Papeln verändern. Im Verlauf können diese Läsionen auch atroph werden bzw. vernarben.
  • An den Oberarmen bzw. an den Oberschenkel ist zum Teil eine Keratosis follicularis sichtbar
  • Unter einem Ulerythema ophryogenes versteht man eine follikuläre Hyperkeratose und Gefässerweiterung der Augenbrauen. Im Verlauf kann es zu einer Follikelatrophie kommen
  • Schleimhautbefall (Lichen planus mucosae): Meist ist hier die Wickham Steifung gut zu sehen. Zudem können auch weißliche, nummuläre Papeln und Plaques sichtbar sein.
    • Beim erosiven Lichen planus mucosae besteht eine erhöhte Malignitätsneigung
    • Lichen planus vulvae ist durch eine anuläre bzw. zirzinäre Form charakterisiert

  • Anamnese
    • Medikamenteneinnahme, auch verzögerte Trigger. 
  • Klinisches Bild
  • Biopsie
    • Dermatopathologie
    • Direkte Immunfluoreszenz (in der Praxis meist nicht notwendig, aber oft charakteristisch)
  • Labor
    • TSH, ggf. weitere Thyroidea-Marker (im Sinne Assoziation mit Autoimmun-Thyroiditiden), AST, ALT, γ-GT, Cholesterin, Harnsäure, Hämoccult

  • Schleimhäute (Mund- und Genitalschleimhaut)
  • Nägel
  • Kapillitium: Lichen planopilaris

  • Interface-Dermatitis mit sägezahnartiger Akanthose, Orthohyperkeratose und Hypergranulose. Lymphoidzelliges, epidermotropes Infiltrat, vorwiegend bestehend aus CD8-positiven T Zellen.
  • Direkte Immunfluoreszenz
    • Subepitheliale, bandförmige Fibrinablagerungen. Zytoide Körperchen beladen sich mit IgG, IgM, C3 im Epithel und Str. papillare.

  • Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms
    • V.a. bei erosiven oder verrukösen Formen
    • Achtung versteckte Formen nicht verpassen, z.B. ösophagealer LP ist häufig, aber meist asymptomatisch. 
  • Vernarbende Alopezie

Kann spontan abheilen. Es gibt jedoch auch chronische Verläufe.

  1. Kaposi M. Noch einmal: Lichen ruber acuminatus und Lichen ruber planus. Arch f Dermat 1895;31:1-32.
  2. Mehregan AH, Heath LE, Pinkus H. Lichen ruber moniliformis and lichen ruber verrucosus et reticularis of Kaposi. J Cutan Pathol 1984;11:2-11.
  3. Behzad M, Michl C, Arweiler N, Pfützner W. Kontaktallergische lichenoide Reaktion auf Eugenol unter dem Bild eines Lichen ruber mucosae. Allergo Journal 2014;23:14-7.
  4. Lebwohl, Mark. Treatment of Skin Disease: Comprehensive Therapeutic Strategies. Elsevier, 2014. Print.