Alopecia androgenetica der Frau (FPHL)

Zuletzt aktualisiert: 2022-11-16

Autor(en): Navarini A.

ICD11: -

Androgenetisches Effluvium, Alopezia oleosa, Alopezia seborrhoica, Calvities hippocratica., chronisch diffuse Alopezie der Frau, androgenetische Alopezie der Frau, weibliche Glatzenbildung, female pattern alopecia

Ein durch genetische Prägung vorgegebenes Haarkleid, welches durch ein Ansteigen des Androgenspiegels zum Vorschein kommt, gerade bei älteren Frauen häufig, aber stets als pathologisch zu werten ist. Eine gründliche Diagnostik ist daher indiziert. Der Beginn ist in der Scheitelregion lokalisiert, von wo aus eine diffuse Progression zu beobachten ist. 

  • Prävalenz bei Europäerinnen allen Alters: 20%
  • Prävalenz bei Europäerinnen um das 50. Lebensjahr: ca. 50%
  • Inzidenz bei Europäerinnen nach dem 65. Lebensjahr: ca. 75%
  • In manchen Fällen bereits ab dem 20. Lebensjahr beginnend
  • Auftreten vor der Menopause bei 10% der Frauen
  • Auftreten nach der Menopause bei 20-30% der Frauen

  • Klassifikation nach Ludwig
    • Stadium I: Dezente Scheitellichtung
    • Stadium II: Markante Scheitellichtung
    • Stadium III: Frontoparietale Glatzenbildung

 

  • weitere mögliche Einteilung:
    • Stadium 0: normaler Haarwuchs
    • Stadium I: leichte Haarlichtung der Scheitelregion, aber nur bei expliziten scheiteln der Haare erkennbar, frontaler Haarsaum erkennbar, Haarzupftest positiv
    • Stadium II: Markantere, generell sichtbare Haarlichtung im Scheitelbereich, der frontale Haarsaum zeichnet sich deutlich ab
    • Stadium III: Ausgeprägte Glatzenbildung fronto-parietal, weiterhin bestehender frontaler Haarsaum

  • Die Genetik determiniert die Veranlagung.
  • Die genetische Prägung ist von Frau zu Frau unterschiedlich und betrifft nur selten alle Haare. Ist sie jedoch sehr stark ausgeprägt, leiden die Betroffenen bereits im Alter von 20-30 Jahren unter einer deutlichen Haarlichtung.
  • Die genetische Veranlagung und Androgene zusammen führen zu einer Verkleinerung des Haarfollikels. Da nicht alle Follikel dieser Verkleinerung unterliegen, entsteht ein diffuses Krankheitsbild. Eine völlige Kahlheit bleibt meist aus.
  • Eine erhöhte Empfindlichkeit der Testosteronrezeptoren am Haarfollikel kann ebenfalls beobachtet werden.
  • Verschiebung des Androgen-Östrogen-Quotienten zugunsten der Androgene in den Wechseljahren → Akzelerierung des genetisch determinierten Prozesses.
  • Sekundär bei anderen Grunderkrankungen, die zu einem erhöhten Androgenspiegel führen
    • Kongenitales Adrenogenitales Syndrom
    • PCOS (polyzystische Ovarialsyndrom) 
    • Einnahme von Androgenen
    • Anabolikaabusus
    • Hyperprolaktinämie
  • Assoziation
    • Seborrhoe (Alopecia oleosa, Alopecia seborrhoica)

  • Diese Art des Haarausfalls ist stets pathologisch.
  • Diffuse Haarlichtung, meist am Scheitel beginnend, wobei die frontalen Haare als Haarsaum persistieren.
  • Pulltest nur in ca. 12% positiv (beim chronischen Telogeneffluvium ca. 20% positiv).
  • Beginn meist zwischen 20 und 40 Jahren. 
  • Einteilung
    • Klassifikation nach Ludwig
      • Stadium I: Dezente Scheitellichtung, Haarzupftest positiv
      • Stadium II: Markante Scheitellichtung
      • Stadium III: Frontoparietale Glatzenbildung

  • Klinisches Bild mit klassischem Verlauf: Beginn in der Scheitelregion, wobei der Haarausfall anfänglich nur beim Scheiteln, später auch ohne dieses sichtbar ist. Im Verlauf weitet sich der Haarausfall diffus aus bis hin zur fronto-parietalen Glatze, wobei ein frontaler Haarsaum bis zum Schluss bestehen bleibt. 
  • Labor
    • BB, BZ, ANAs, Schilddrüsen-Antikörper, Vitamin D, Zink, Ferritin.
    • Endokrinologische Abklärung
      • Ausschluss Hyperandrogenämie (mit Hirsutismus, Seborrhoe, Akne): Endokrinologisches Konsil empfohlen
      • Allfällig selbstständig Ausschluss einer Hyperprolaktinämie
        • Medikamentöse Genese dabei nicht vergessen, welche bei der Einnahme von Psychopharmaka oder Neuroleptika die Ursache der Hyperprolaktinämie darstellen kann 
  • Haarkalender: tgl. Zählen der bei der Haarwäsche / Kämmen ausgefallenen Haare (bis 100 Haare/Tag sind physiologisch)
  • Nicht invasive Methode: Wasch-Test nach Rebora. Patientin sammelt alle Haare, die beim Shampoonieren nach 5 Tagen Waschkarenz anfallen. Es wird die Prozentzahl von Zaaren kleiner gleich 3cm Länge festgestellt. Wenn diese mehr als >10% alle Haare ausmachen, suggeriert dies androgenetische Alopezie der Frau (FPHL). Falls es 100 Haare oder mehr sind, und es >90% mehr als 3cm lange Haare sind, dann ist es eher ein chronisches Telogeneffluvium. 
  • Tiefe 5mm Punchbiopsie mit Einzelknopfnaht:
    • Biopsie schadet nie - im Gegenteil hilft diese, das Krankheitsbild mit evidenzbasierter Autorität anzugehen und somit lange Verzögerungen zu vermeiden!
    • Dem Labor aufschreiben: Biopsie längs teilen, Hälfte horizontal einbetten, Hälfte vertikal einbetten, Anzahl Anagen/Telogenfollikel quantifizieren.

Primär in der Scheitelregion des Kopfes, dann im Verlauf diffuse Ausweitung bis zur fronto-parietalen Glatzenbildung. 

  • Erhöhten Haarausfall erfragen (ein erhöhter Ausfall im Herbst ist normal)
  • Verlaufe des Haarausfalls und dessen Beginn erheben
  • Medikamentenanamnese
  • Familienanamnese
  • Haarkalender falls vorhanden, anschauen
  • Erkrankungen in anderen Organsystemen abklären z.B. eine Störung der Schilddrüse

Terminale Haarfollikel wandeln sich zu Miniaturfollikeln um.

Oft ist der Haarausfall eine starke psychische Belastung für die betroffenen Frauen. 

Langfristiger Haarausfall kann ggf. durch einen schnellen Therapiebeginn verhindert werden. Resultate werden allerdings erst nach mehreren Monaten gesehen, da die Haare ein träges System sind.

Bei zeitnaher Therapie nach Diagnosestellung kann weiterer Haarausfall zumindest teilweise verhindert werden. Ansonsten schreitet dieser bis zur Glatzenbildung fort. 

  1. Olsen EA. Female pattern hair loss. Journal of the American Academy of Dermatology 2001;45:S70-S80.
  2. Unger WP, Unger RH. Hair transplanting: an important but often forgotten treatment for female pattern hair loss. Journal of the American Academy of Dermatology 2003;49:853-60.
  3. Gan DCC, Sinclair RD. Prevalence of Male and Female Pattern Hair Loss in Maryborough. Journal of Investigative Dermatology Symposium Proceedings 2005;10:184-9.
  4. Olsen EA, Messenger AG, Shapiro J, et al. Evaluation and treatment of male and female pattern hair loss. Journal of the American Academy of Dermatology 2005;52:301-11.
  5. Iorizzo M, Vincenzi C, Voudouris S, Piraccini BM, Tosti A. Finasteride Treatment of Female Pattern Hair Loss. Arch Dermatol 2006;142.
  6. Messenger AG, Sinclair R. Follicular miniaturization in female pattern hair loss: clinicopathological correlations. Br J Dermatol 2006;155:926-30.
  7. Rogers NE, Avram MR. Medical treatments for male and female pattern hair loss. Journal of the American Academy of Dermatology 2008;59:547-66.
  8. Yip L, Zaloumis S, Irwin D, et al. Gene-wide association study between the aromatase gene ( CYP19A1 ) and female pattern hair loss. British Journal of Dermatology 2009;161:289-94.
  9. Yeon JH, Jung JY, Choi JW, et al. 5 mg/day finasteride treatment for normoandrogenic Asian women with female pattern hair loss. Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology 2010;25:211-4.
  10. Zheng L, Yang HL, Bi ZW, et al. Epidemic characteristics and spatio-temporal patterns of scrub typhus during 2006-2013 in Tai'an, Northern China. Epidemiol Infect 2015;143:2451-8.