X-linked Ichthyosis
Zuletzt aktualisiert: 2022-11-16
Autor(en): Lindemann H.
ICD11: Q80.1
Zuletzt aktualisiert: 2022-11-16
Autor(en): Lindemann H.
ICD11: Q80.1
Csorsz, 1928; Orel,1929; Wells und Kerr, 1965
X-chromosomal-rezessive Ichthyose; X-chromosomal-rezessive Ichthyosis; Rezessive Ichthyosis vulgaris; Geschlechtsgebundene Ichthyosis vulgaris; Ichthyosis serpentina; Ichthyosis vulgaris; Steroid sulfatase deficiency; Typ Wells-Kerr; Wells-Kerr-Ichthyosis; Xerodermia; XRI
Es handelt sich um eine X-chromosomal-rezessiv vererbte Verhornungsstörung, bedingt durch einen Gendefekt auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms im Steroidsulfatase-Gen (STS-Gen; Xp22.3). Durch das Vererbungsmuster ist fast ausschließlich das männliche Geschlecht betroffen. Bereits ab der Geburt oder im Säuglingsalter treten grobe, fest haftende Schuppen auf. Der Verlauf der Hautveränderungen kann bis zur Pubertät fortschreitend sein.
Es handelt sich um eine global auftretende, nicht allzu seltene Hauterkrankung. Inzidenz: 1:2000-6000. Die Prävalenz wird auf 1:4000 geschätzt.
Durch eine Erstreckung der Genmutation auf benachbarte Gene kann die X-linked Ichthyosis in Kombination mit verschiedenen Syndromen und Krankheitsassoziationen auftreten.
Mögliche Assoziationen bestehen mit dem Kallmann-Syndrom, Refsum-Syndrom, Epidermolysis bullosa dystrophica, hypergonadotroper Hypogonadismus, okulokutanem Albinismus Typ 1, Autismus, ADHS oder Kryptorchismus.
Bei der X-linked Ichthyosis handelt es sich in 90 % der Fälle um eine Deletion des STS-Gens. Es kommt zu einem Defizit der mikrosomalen Steroidsulfatase. Diese ist ein Enzym, welches über Hydrolyse Steroidsulfate unter anderem von Cholesterolsulfat spaltet. Es kommt somit zu einer erhöhten Cholesterinsulfat-Konzentration in der Epidermis. Hierdurch wird die epidermale Serin-Protease gehemmt, mit der Folge einer verminderten Desquamation der Korneozyten. Somit kommt es zu einer mangelnden Abschilferung der Hautzellen und einer übermäßigen Verhornung (Retentionshyperkeratose).
Typischerweise lassen sich bei der X-linked Ichthyosis kurz nach der Geburt oder im Säuglingsalter (2-6 Monate) erste Hautveränderungen bemerken. Jedoch können diese variable ausgeprägt sein. Es kann zu subtilen, oberflächlichen oder fulminanten Schuppungen mit Erythrodermie kommen. Insbesondere subtile Hautveränderungen können innerhalb von Wochen verschwinden und im späteren Leben als klar erkennbare Ichthyose erneut aufzublühen.
Bei der X-linked Ichthyosis kommt es meist zu groben fest haftenden Schuppen an den Extremitäten und Rumpf. Mit zunehmendem Alter kann die Schuppung grau werden. Der Hals ist fast immer betroffen. Die Beugeseiten können, müssen aber nicht Schuppungen aufweisen. Es zeigt sich typischerweise keine Hyperlinearität an Händen und Füßen.
Bei jedem 5. Betroffenen kann ein Hodenhochstand beobachtet werden.
Es können punktförmige asymptomatische Hornhauttrübungen beobachtet werden.
Die Diagnose wird meist über die Klinik gestellt. Humangenetische Analysen können die Diagnose bestätigen. Labordiagnostisch kann bei der X-linked Ichthyosis durch eine Blutentnahme die Aktivität des Enzyms Steroidsulfatase bestimmt werden. Eine Akkumulation von Cholesterinsulfat kann in einer Serum-Lipoprotein-Elektrophorese, Chromatographie oder Spektrophotometrie unter Verwendung von Hautschuppen, Plazentagewebe oder Fruchtwasser nachgewiesen werden. Bei positiver Familienanamnese steht eine pränatal Diagnostik über Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese zur Verfügung. Eine nicht-invasive pränatal Diagnostik kann durch einen erniedrigten Östrogenspiegel im Serum oder mütterlichen Urin erfolgen.
Die Krankheit manifestiert sich insbesondere an den Streckseiten der Extremitäten. Auch kann es am Bauch, Ohren, Kapillitium und dem unteren Rumpf zu ichthyotischen Hautveränderungen kommen.
Gelegentlich können auch die Kniebeugen betroffen sein, während Achselhöhlen und Ellenbeugen häufig frei bleiben.
Es kann sich eine Hyperkeratose oder Parakeratose bei einem leicht verdickten Stratum granulosum zeigen. Die Elektronenmikroskopie zeigt eine Zunahme der Keratohyalingranula. Im Stratum corneum kann eine große Anzahl von Melanosomen gefunden werden.
Mit zunehmendem Alter kann es zu einer geringen Besserung der X-linked Ichthyosis kommen. Es handelt sich um eine benigne Ichthyose-Form mit normaler Lebenserwartung.
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Eine kausale Therapie ist bis dato nicht bekannt. Es stehen verschiedene Behandlungsoptionen zu Verfügung, um die Schuppenbildung zu reduzieren.
Allgemein: Schuppen können nach dem Duschen mit einem Bimsstein vorsichtig entfernt werden. Die Anwendung von Externa sollte auf feuchter Haut erfolgen. Kann ein Kryptorchismus beobachtet werden, ist eine urologische Konsultation empfohlen.
Lokale externe Therapie: Für eine Hydration und Keratolyse kommen 5-10 % Harnstoffe, 10 % Milchsäure und 0,01-0,05 % Tretinoine zum Einsatz. Insbesondere Kombinationspräparate mit 10% Harnstoff und 0,05 % Tretinoin erzielen gute Erfolge. 3-5 % Salicylsäure kann an besonders hyperkeratotischen Arealen angewendet werden.
Topische Keratolytika sollten auf Grund der systemischen Absorption und damit verbundenen Toxizität in den ersten 6 Lebensmonaten des Kindes vermieden werden.
Interne Therapie: In ausgeprägten Fällen ist eine interne Retinoid-Therapie gegeben Falls nötig. Die systemische Gabe von Retinoid erfolgt bei Erwachsenen mit Acitretin initial mit 10-35 mg über 4 Wochen. Alternativ mit Isotretinoin 0,1-0,5 mg / kg / Tag. Eine niedrige Erhaltungstherapie ist anzustreben. Bei Kindern sollte der Einsatz systemischer Retinoide nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung mit initial 0,5 mg / kg / Tag erfolgen. Eine Erhaltungsdosis sollte hier nicht mehr als 0,2 mg/ kg / Tag sein.