Mycobacterium marinum

Zuletzt aktualisiert: 2025-04-26

Autor(en): Anzengruber F., Navarini A.A.

ICD11: 1B21.2Y

Schwimmbadgranulom, Aquariumgranulom, Fish tank granuloma, Swimming pool granuloma. Mycobacterium balnei ist jetzt M. marinum.

Mycobacterium marinum ist ein nicht-tuberkulöses Mykobakterium (NTM), das weltweit in Wasser vorkommt. Es wächst langsam, ist fotochromogen und infiziert bevorzugt Haut und subkutanes Gewebe nach Inokulation durch Hautverletzungen in Wasser (z.B. Aquarien). Da es optimal bei ca. 30 °C wächst und bei Körperkerntemperatur (>37 °C) kaum proliferiert, manifestiert sich die Infektion meist an kühleren, oberflächlichen Körperarealen (Extremitäten) als chronisch granulomatöse Hautläsionen. Systemische Verläufe sind selten. Unbehandelt kann die Infektion persistieren und chronisch-progredient verlaufen.

Kutane Infektionen durch M. marinum sind seltene, weltweit sporadisch auftretende Mykobakteriosen. Das Risiko besteht primär bei Personen mit regelmässigem Kontakt zu kontaminiertem Süss- oder Salzwasser, wie Aquarienbesitzer, Fischzüchter, Fischer oder durch Baden in unzureichend desinfizierten Gewässern sowie bei Fisch-Pediküren. Tropisches Klima und Reisen erhöhen das Expositionsrisiko. Immunsuppression verschlimmert den Verlauf und kann zu disseminierten Infektionen führen, erhöht aber nicht das primäre Infektionsrisiko. M. marinum zählt zu den häufigsten nicht-tuberkulösen Mykobakterien bei kutanen Infektionen.

Kutane M. marinum-Infektionen werden klinisch nach Ausbreitung und Befallstiefe eingeteilt:

  1. Lokal begrenzte kutane Form: Einzelne Hautläsion (Granulom) am Inokulationsort ohne Streuung. Dies ist die häufigste Manifestation bei immunkompetenten Patienten.
  2. Lymphokutane Form (sporotrichoid): Sukzessive Entwicklung mehrerer sekundärer Knoten oder Ulzera entlang der regionären Lymphbahnen. Dieses Muster wird bei M. marinum in ca. 20–40 % der Fälle beobachtet.
  3. Tiefe Form (Weichteil- und Knochenbefall): Bei längerem Verlauf oder unzureichender Therapie kann die Infektion auf tiefere Strukturen übergreifen. Typisch ist der Befall von Sehnenscheiden (Tenosynovitis), Schleimbeuteln (Bursitis) oder Gelenken (septische Arthritis), insbesondere an der Hand. Seltener ist eine Osteomyelitis angrenzender Knochen.
  4. Disseminierte (systemische) Form: Äusserst selten breitet sich M. marinum systemisch aus und verursacht multiple Läsionen. Dies tritt fast ausschliesslich bei schwer immunsupprimierten Patienten auf.


Übergänge zwischen den Formen sind möglich. Sporotrichoide und tiefergehende Verläufe gelten als kompliziertere Sonderformen, während die disseminierte Form sehr selten ist.

Mycobacterium marinum ist ein Umweltkeim, der natürlicherweise in Gewässern, Aquarien und auf Fischen vorkommt. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch Eindringen über Hautverletzungen oder Mikrotraumen bei Kontakt mit dem kontaminierten Milieu (z.B. durch Fischstacheln oder beim Hantieren mit Aquarien). M. marinum bevorzugt kühle Temperaturen und vermehrt sich optimal bei ~30 °C. Nach Eindringen in die Haut etabliert sich eine granulomatöse Entzündung mit Bildung von Granulomen. Die Bakterienlast ist häufig niedrig. Der Erreger besitzt Virulenzfaktoren, die das Überleben in Makrophagen fördern. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung findet praktisch nicht statt – die Infektion bleibt auf den Expositionsort beschränkt, es sei denn, es kommt zur seltenen Streuung bei Immundefizienz. Die Inkubationszeit beträgt typischerweise 2–4 Wochen, kann aber auch mehrere Monate betragen.

Im Vordergrund stehen chronische Hautläsionen im Bereich der Inokulationsstelle. Initial erscheint meist ein kleines erythematös-livides Papulonodul, das langsam an Grösse zunimmt. Die Läsion kann verrukös (warzenartig) imponieren oder ulzerieren und eine krustöse Oberfläche entwickeln. Häufig ist sie nur gering schmerzhaft oder druckempfindlich und zeigt einen indolenten Verlauf. Unbehandelt persistiert das Granulom über Wochen bis Monate.


Bei der sporotrichoiden Verlaufsform entstehen entlang der zugehörigen Lymphbahnen nacheinander weitere derbe, rötliche Knoten oder Abszesse, oft an der Streckseite der Extremität proximal der Primärläsion. Diese Sekundärläsionen können ulzerieren und Sekret absondern. In umliegenden Gelenken oder Sehnenscheiden können Schwellungen und Bewegungseinschränkungen auftreten, falls tiefer Befall vorliegt.


Begleitende systemische Entzündungszeichen sind meist gering ausgeprägt. Gelegentlich finden sich in der Umgebung der Läsion regionale Lymphadenopathien oder Zeichen einer lymphangitischen Streuung (rötliche Streifen). Fieber und deutliche Krankheitszeichen sind untypisch. Insgesamt ähneln die Hautsymptome denen anderer granulomatöser Infektionen, was die klinische Unterscheidung erschweren kann.

Die Diagnose wird anhand der Anamnese, klinischen Befunde und labordiagnostischen Bestätigung gestellt. Ein Hinweis kann die typische Exposition (Aquarium, Fischkontakt) in Kombination mit einem langsam progredienten, therapieresistenten Hautgranulom sein. Verdachtsfälle sollten gezielt abgeklärt werden, da Standardtests (bakterielle Routinekulturen, Pilzdirektnachweise) oft negativ bleiben.

 

Histopathologie: Die Hautbiopsie zeigt granulomatöse Entzündung mit Epitheloidzellgranulomen und ggf. zentraler Nekrose. In Frühstadien finden sich auch neutrophile Mikroabszesse („suppurative Granulome“). Spezielle Färbungen (Ziehl-Neelsen, Fite-Färbung) können säurefeste Stäbchen nachweisen, allerdings gelingt der direkte Erregernachweis in Histologien nur in etwa 20–50 % der Fälle (paucibazilläre Natur der Infektion).


Mikrobiologischer Erregernachweis: Goldstandard ist die Kultur des Erregers aus Biopsat oder Eiter. M. marinum wächst auf speziellen Mykobakterienmedien (Löwenstein-Jensen, Middlebrook-Agar) innerhalb von 1–3 Wochen bei 28–32 °C. Wichtig ist, das Labor über den Verdacht zu informieren, damit die Kulturen bei passender Temperatur inkubiert werden. In der Kultur zeigt M. marinum raue, gelbliche Pigmentbildung (Fotochromogenese) nach Licht-Exposition. Parallel oder alternativ ermöglicht eine PCR mit Gensequenzierung (z.B. 16S-rRNA-Gen) die rasche Identifikation aus Gewebeproben. Auch MALDI-TOF-Massenspektrometrie kann in Speziallaboratorien zur Speziesbestimmung eingesetzt werden.


Weitere Tests: Serologische oder immunologische Tests sind unspezifisch. Interferon-γ-Release-Assays (IGRA), die auf M. tuberculosis reagieren, bleiben meist negativ, da M. marinum keine ESAT-6/CFP-10-Sekretion beim Menschen induziert. Allerdings wurden Kreuzreaktionen beschrieben, sodass ein positiver IGRA nicht zuverlässig zwischen Tuberkulose und M. marinum-Infektion differenziert. Eine positive Tuberkulin-Hauttestung (PPD) kann bei atypischen Mykobakteriosen auftreten, ist aber ebenfalls nicht spezifisch.


Die Diagnose gilt als gesichert, wenn M. marinum aus der Läsion kultiviert oder per Nukleinsäurenachweis identifiziert wird. Klinisch-pathologische Konstellation (Exposition, chronisches Schwimmgranulom, granulomatöse Histologie, Ausschluss von M. tuberculosis und Sporotrichose) kann im Einzelfall die Diagnose stützen, muss aber durch mikrobiologischen Erregernachweis bestätigt werden.

Typischerweise manifestieren sich M. marinum-Infektionen an den oberen Extremitäten, häufig an Händen und Fingern sowie Unterarm oder Ellbogen. Dies korreliert mit Verletzungen bei Kontakt mit kontaminiertem Wasser oder Fisch. Läsionen können auch an den unteren Extremitäten auftreten, etwa an Knien, Schienbeinen oder Füssen nach Wasserkontakt oder Fisch-Pediküren. Die bevorzugte Lokalisation an kühleren Körperstellen erklärt sich durch das Wachstumsoptimum von M. marinum bei niedrigeren Temperaturen; warme Regionen sind primär selten betroffen. Bei chronischen Hautknoten, besonders an Händen oder Knien, sollte nach Wasser- oder Fischkontakt gefragt werden.

In der Anamnese finden sich oft verletzende Kontakte mit einem aquatischen Milieu einige Wochen vor Auftreten der Hautläsion. Sowohl offensichtliche als auch kleinere, unbemerkte Hautläsionen können als Eintrittspforte dienen. Eine mehrwöchige Latenz zwischen Exposition und Symptombeginn ist typisch und sollte auf eine mögliche atypische Infektion hinweisen. Es ist entscheidend, gezielt nach aquatischer Exposition zu fragen, da Patienten diese Verbindung oft nicht herstellen. Oft wird initial eine andere Diagnose gestellt und behandelt, ohne Erfolg. Bei Immunsupprimierten ist die Vorgeschichte relevanter Auslandreisen oder Aquarienbesitz zu erheben, da multiple Läsionen oder ungewöhnliche Verläufe auftreten können.

Histologisch zeigt das Hautbiopsat einer M. marinum-Infektion epitheloidzellige Granulome mit variabler caseöser Nekrose, ähnlich dem Lupus vulgaris. Häufig finden sich auch suppurative Anteile wie neutrophile Mikroabszesse innerhalb der Granulome, was an pyogene Infektionen oder Sporotrichose erinnern kann. Die Epidermis zeigt oft pseudoepitheliomatöse Hyperplasie. In fortgeschrittenen Läsionen können sich Abszesse und Fistelgänge bilden.


Die Ziehl-Neelsen-Färbung auf säurefeste Stäbchen ist in etwa der Hälfte der Fälle positiv, aber der Direktnachweis im Gewebe ist aufgrund geringer Erregerdichte nicht immer erfolgreich. Histologisch ist M. marinum nicht von anderen atypischen Mykobakterien oder Sporotrichose unterscheidbar; daher sind Kultur oder PCR zum endgültigen Nachweis unerlässlich. Bei Immunsupprimierten kann die Granulombildung geringer ausgeprägt oder fehlend sein. Die Dermatopathologie bestätigt den granulomatösen Charakter und hilft bei Differentialdiagnosen, die genaue Ätiologie bedarf der Labordiagnostik.

Unbehandelte M. marinum-Infektionen können sich ausdehnen und funktionelle Beeinträchtigungen verursachen. Komplikationen umfassen die Ausbreitung auf tiefere Handstrukturen wie Sehnen oder Gelenke, was Schwellung, Schmerz und Bewegungseinschränkung verursacht und unbehandelt zu Gewebezerstörung und bleibender Funktionseinschränkung führen kann. Bei Immundefekten besteht das Risiko hämatogener Streuung mit multiplen Hautläsionen oder Befall innerer Organe. Fehldiagnosen und unpassende Therapien, wie Steroide, können die Ausbreitung begünstigen. Sekundärinfektionen oder Narbenbildung sind weitere mögliche Komplikationen. Obwohl die Prognose lokaler Infektionen bei adäquater Therapie gut ist und meist nur Narben zurückbleiben, ist eine frühzeitige Diagnose und konsequente Behandlung entscheidend, um schwerwiegende Komplikationen und bleibende Schäden zu vermeiden.

Die Prognose von M. marinum-Hautinfektionen ist bei rechtzeitiger adäquater antibiotischer Therapie gut. Die Läsionen heilen meist über Monate ab, oft mit residualen Narben, die funktionell irrelevant sind. Entscheidend ist die frühe Diagnose; sie verhindert chronische Verläufe und Komplikationen wie Gelenkbeteiligung. Bei Immunsupprimierten ist die Prognose vorsichtiger, mit Risiko für langwierige oder disseminierte Verläufe und Rückfälle. Reinfektionen sind selten. Die Prognose hängt stark vom Immunstatus des Patienten und dem Befallsmuster ab: Immunkompetente mit lokalem Befall heilen meist vollständig, stark Immungeschwächte haben höheres Risiko für therapieresistente Verläufe. Engmaschige Nachsorge ist bis zur vollständigen Abheilung ratsam.

Da M. marinum opportunistisch über Verletzungen eindringt, ist Prävention entscheidend. Beim Umgang mit potenziell kontaminiertem Wasser (Aquarien, Teiche, Fische) sind wasserdichte Schutzhandschuhe und geeignete Kleidung wichtig, besonders bei Wunden. Verletzungen in diesem Milieu sofort gründlich reinigen und desinfizieren. Öffentliche Schwimmbäder erfordern ausreichende Chlorierung. Immunsupprimierte sollten Aquarien und Fish-Spas meiden. Bei Süsswasser-Aktivitäten in tropischen Regionen Vorsicht walten lassen und Verletzungen sofort versorgen. Jede Hautverletzung nach Kontakt mit Natur- oder Aquarienwasser desinfizieren. Prophylaktische Antibiotika oder ein Impfstoff existieren nicht; konsequente Hygiene und Schutzkleidung sind der beste Schutz.

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