Autosomal-rezessive kongenitale Ichthyosen (ARCI): Selbstheilende kongenitale Ichthyose, lamelläre Ichthyose, kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie, Badeanzug-Ichthyose, Harlekin-Ichthyose
Zuletzt aktualisiert: 2022-11-16
ICD11: Q80.8
Zuletzt aktualisiert: 2022-11-16
Autor(en): Lindemann H.
ICD11: Q80.8
Der Begriff der ,,autosomal-rezessiven kongenitalen Ichthyosen“ (ARCI) wurde von Oji V et al. 2009 geprägt.
ARCI; Autosomal-rezessive kongenitale Ichthyosen; Erythrodermische lamelläre Ichthyose; Kollodiumbaby; Kongenitale autosomal rezessive Ichthyosen; Ichthyosis congenita; Lamelläre Ichthyose und kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie; Kongenitale, autosomal-rezessive (nicht-syndromale, nicht-bullöse) Ichthyosen; Nichtbullöse kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie; Nichterythrodermische lamelläre Ichthyose
Es handelt sich um eine Gruppe autosomal-rezessiver kongenitaler Verhornungsstörungen der Haut, welche seit der Geburt bestehen. Die Erkrankungen unterscheiden sich in ihrer Klinik, Genetik und Molekularbiologie untereinander. Früher wurden die Erkrankungen unter der Bezeichnung ,,Ichthyosis congenita“ zusammengefasst und anhand der Klink in Schweregrade (I – III) unterschieden. Heute werden die Erkrankungen anhand ihrer Molekulargenetik klassifiziert.
Die ARCI sind typischerweise nicht-syndromal. Die Fehlbildungssyndrome beschränken sich ausschließlich auf die Haut.
Inzidenz der ARCI insgesamt circa 1:60.000.
Selbstheilende kongenitale Ichthyose (SICI): <1:1.000.000
Lammeläre Ichthyose (LI): 1:200.000 / 300.000
Kongentiale ichthoysiforme Erythrodermie (CIE): 1:100.000 / 200.000
Badeanzug-Ichthyose: <1:1.000.000
Harlekin-Ichthyose: <1:1.000.000
Zu der Gruppe der ARCI gehören:
SICI (Q80.2):
Mutation: TGM1. Kürzel: ARCI1. OMIM: 242300.
Mutation: ALOXE12B. Kürzel: ARCI2. OMIM: 242100.
Mutation: ALOXE3. Kürzel: ARCI3. OMIM: 606545.
LI (Q80.2) / CIE (Q80.2). Sowie die intermediäre Phänotypen der LI und CIE:
Mutation: TGM1. Kürzel: ARCI1. OMIM: 242300.
Mutation: ALOXE12B. Kürzel: ARCI2. OMIM: 242100.
Mutation: ALOXE3. Kürzel: ARCI3. OMIM: 242100.
Mutation: ABCA12. Kürzel: ARCI4A. OMIM: 60127.
Mutation: CYP4F22. Kürzel: ARCI 5. OMIM: 664777.
Mutation: NIPAL4. Kürzel: ARCI 6. OMIM: 612281.
Mutation: LIPN. Kürzel: ARCI 8. OMIM: 613943.
Mutation: CERS3. Kürzel: ARCI 9. OMIM: 615023.
Mutation: PNPLA1. Kürzel: ARCI 10. OMIM: 615024.
Mutation: ST14. Kürzel: ARCI 11. OMIM: 602400.
Mutation: CASP14. Kürzel: ARCI 12. OMIM: 617320.
Badeanzug-Ichthyose (Q80.2):
Mutation: TGM1. Kürzel: ARCI3. OMIM: 242300.
Harlekin-Ichthyose (Q80.4):
Mutation: ABCA12. Kürzel: ARCI4B. OMIM: 242500.
Die ARCI entsteht durch eine Störung der terminalen Differenzierung der Epidermis. Am häufigsten können Mutationen im Transglutaminase-1-Gen (35 - 40% der Fälle) nachgewiesen werden. Die Transglutaminase-1 trägt durch die Bildung verhornter Zellhüllen entscheidend zu der Entwicklung des Stratum corneum und zu der postnatale Anpassung der Haut bei.
Weitere Mutationen, die eine ARCI bedingen können, sind:
ABCA12, ein Fett-Transporteiweiß.
ALOXE3 und ALOX12B, Lipoxygenasen der Oberhaut.
CYP4F22, eine Cytochrom-P-450-Oxydase.
CERS3, eine Ceramidynthetase, welche den Ceramidhaushalt der Haut beeinflusst.
Die Klinik der ARCI ist sehr heterogen. Abgesehen von der Harlekin-Ichthyose, kann bei der ARCI häufig bei der Geburt eine Kollodiummembran beobachtet werden.
Im klinischen Verlauf löst sich die Kollodiummembran ab. Ein ichthyotisches Hautbild bleibt zurück. Die Haut kann jucken und schmerzen. Auf Grund der Schuppen kann die Sensibilität vermindert sein.
SICI: Dies ist ein Sonderfall. Nach spontaner Ablösung der Kollodiummembran nach 2 - 4 Wochen, präsentiert sich eine nahezu ichthyosefreie Haut.
LI: Die LI bezeichnet einen Phänotypen und keine eigene Entität. Dieser kann bei allen ARCI-Formen auftreten. Die Schuppung ist klassischerweise groß, plattenförmig und dunkel. Jedoch sind auch mildere Formen mit helleren dünneren Schuppungen bekannt. Es besteht eine Hitzeintoleranz. Häufige kommt es zu einer vernarbenden Alopezie, einem Ectropion und Eclabium.
CIE: Es kommt zu einer fein weißen, sich überlagernden Schuppung. Kennzeichnend für die CIE ist eine Erythrodermie. Oft zeigen sich schmerzhafte Fissuren, digitale Kontrakuren sowie Nageldystrophien. Die Klinik kann unterschiedlich schwer ausgeprägt sein. Es besteht eine Hitzeintoleranz. Es kann es zu einer vernarbenden Alopezie kommen. Ein Ectropion kann ebenfalls manchmal auftreten.
LI/CIE: Häufig werden intermediäre Phänotypen beobachtet.
Badezug-Ichthyose: Durch die temperatursensitive Mutation im Transglutaminase-1-Gen kommt es zu einer Abheilung der Hautveränderungen an Arealen, welche gekühlt werden. Typischerweise sind dies Arme, Beine und das Gesicht. Zentralere Körperstellen (die normalerweise von einem Badeanzug bedeckt sind) zeigen sich dagegen stärker betroffen.
Harlekin Ichthyose: Es zeigt sich klinisch eine schwere Verhornungsstörung mit verdickter Haut. Es kommt zu geometrischen tiefen Fissuren der Haut. Häufig ist nahezu der gesamte Körper des Neugeborenen betroffen. Atem- und Ernährungsschwierigkeiten können entstehen. Die Gefahr einer neonatalen Sepsis führt oft zu neonatalen Todesfällen. Überlebende entwickeln häufig einen Phänotypen ähnlich einer CIE.
Die Diagnose wird über die Klinik (Befallsmuster) und die Bestimmung des Genotypen gestellt. Eine molekulargenetische Diagnostik erfolgt aus dem Blut.
Generalisierte Hautveränderungen.
Die Dermatopathologie zeigt keine für die ARCI-Formen krankheitsspezifischen Veränderungen.
Häufig kann jedoch im Vergleich zur LI, bei der CIE die Parakeratose und die epidermale Zellumsatzrate deutlich ausgeprägter erscheinen.
Die Prognose ist abhängig von dem Schweregrad der Hautveränderungen.
In der Neonatalperiod kann es zu einer Sepsis und Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes kommen. Im Laufe des Lebens bleibt die Krankheit meist stabil. Es besteht eine normale Lebenserwartung. Die ARCI hat auf Grund der krankheits- und behandlungsbedingten Einschränkungen und der äußeren Erscheinung eine erhebliche Auswirkung auf die Lebensqualität. Wegen schwerer Hautveränderungen und Augenkomplikationen kann es zu verzögerten Meilensteinen der motorischen und sozialen Entwicklung kommen.
Harlekin-Ichthyose: Bereits kurz nach der Geburt besteht eine erhebliche Morbidität und Mortalität. Überlebende entwickeln häufig einen Phänotypen ähnlich einer CIE und haben eine normale Lebenserwartung.
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Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der Hautveränderungen. Es werden insbesondere keratolytische und feuchtigkeitsspendende Externa eingesetzt. Gute Erfolge können mit 5 - 10% Harnstoff, möglicherweise 10% Milchsäure oder Acetylcystein in der Salbengrundlage R003 erzielt werden. Während externe Retinoide häufig zu Irritationen führen, können niedrig dosierte systemische Retinoide das Hautbild verbessern. Bei Erwachsenen können initial 10 - 35 mg/ Tag Acitretin p.o. eingesetzt werden. Eine möglichst niedrige Erhaltungsdosis ist anzustreben.
Die ARCI ist häufig mit einem Ektropium verbunden. In diesem Fall sollten die Augen gesondert behandelt werden.
Harlekin-Ichthyose: Der Schweregrad der Hautveränderung kann eine Intensivmedizinische Betreuung notwendig machen. Eine Lagerung in feuchtgehaltenen Inkubatoren, der Ausgleich von Wasser- und Elektrolythaushalt und das Vermeiden von Sekundärinfektionen senkt die Mortalität und Morbidität in der Neonatalperiod.
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